Wann bin ich zu alt für eine Ausbildung?

Ein Azubi muss nicht gerade die Schule hinter sich gebracht haben - Berufseinsteiger ab 40 Jahren haben viele wertvolle Fähigkeiten zu bieten

Bevor nun jemand milde lächelt oder die Stirn spöttisch in Falten legt – immer langsam! Es gibt gute Gründe für die Ausbildung reiferer Jahrgänge. Und es gibt sie für beide Parteien. Sowohl der angehende Ü40-Azubi als auch der ausbildende Betrieb kann Vorteile aus der zugegebenerweise noch recht seltenen Verbindung für sich verbuchen.

 

Soft Skills spielen eine wichtige Rolle

 

Das Zauberwort heißt Soft Skills, die „weichen Faktoren“. Frei definiert sind das gerade solche persönlichen Kompetenzen, die eher außerfachlicher oder auch fachübergreifender Natur sind, wie etwa Kommunikations- und Streitfähigkeit, Empathie, Belastbarkeit, interkulturelle Kompetenz und Anpassungsfähigkeit. Oft sind es jene Kompetenzen, die ein Mensch erst im Laufe seines Lebens erwirbt und die nur selten bereits in der Jugend vorhanden sind. Es geht also um Lebenserfahrung und um Fähigkeiten, die man sich etwa als Elternteil oder im Ehrenamt als Trainer/in, Organisator/in in Vereinen oder Verbänden angeeignet hat. Daher stehen gerade Frauen nach der Zeit der Kindererziehung vor der Frage, wie es denn jetzt im Leben weitergehen soll. Die Kinder sind erwachsen geworden und aus dem Haus, auf das Einkommen des Partners möchte sich frau nun auch nicht verlassen oder sich auf ihm ausruhen. Eine Rückkehr in den einst erlernten Beruf ist oftmals sehr schwierig, da sich die Arbeitswelt in den letzten zwei Dekaden durch die Digitalisierung komplett gewandelt hat.

 

Mit 40 ist heute niemand wirklich ein alter Mensch

 

In nur ganz wenigen Ausbildungsberufen gibt es wirkliche Altersbeschränkungen. Zumeist sind diese im Öffentlichen Dienst, etwa bei der Ausbildung zum/zur Polizisten/in, zu finden. Ansonsten ist niemand für irgendeinen Beruf zu alt. Die Beurteilung, ob man körperlich und geistig noch fit ist, liegt ganz im eigenen Ermessen. Und auch bei dieser Einschätzung haben die Ü40-Kandidaten die Nase vorn. Kaum jemand ab 40 wird sich noch einmal in ein Abenteuer stürzen, von dem er schon vorab weiß, dass er es nicht bestehen wird. Die Selbsteinschätzung der Leistungsfähigkeit ist insgesamt ebenso hoch einzuschätzen wie das Engagement. Im Gegensatz zu den meisten Schulabgängern wissen Auszubildende über 40 sehr genau, was sie wollen, eben weil sie sich intensiv mit ihrer Zukunft auseinandergesetzt und sich den nicht einfachen Schritt einer späten Ausbildung reiflich überlegt haben. Die Vorbehalte, ältere Arbeitnehmer oder Auszubildende wären geistig nicht mehr so flexibel bzw. nicht mehr formbar, sind eher unhaltbar. Wer sich für eine Ausbildung ab 40 entschieden hat, der/die zeigt ja bereits seine/ihre Flexibilität. Der Vorbehalt der Nichtformbarkeit schlägt sogar eher ins Gegenteil um.

 

Ü40 in der Alten- und Krankenpflege

 

Frauen und Männer über 40 bringen nicht nur eine gehörige Portion Menschenkenntnis und Lebenserfahrung mit, sie wissen auch ziemlich genau, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, und stehen dazu. Zwischen Ausbilder und Azubi bedeutet dies oft eine Begegnung auf Augenhöhe, die eher Vor- als Nachteile für beide Seiten bringt. Ein/e Mitarbeiter/in ab 40 Jahren wird auch eher den Mut aufbringen, Missstände anzusprechen oder Verbesserungsvorschläge für den täglichen Ablauf in einer Firma oder in einem Betrieb einzubringen. Auch wenn Vierzigjährige (noch) nicht den Löwenanteil unter den Azubis ausmachen, können es sich einige Branchen bald nicht mehr leisten, auf ältere Arbeitnehmer zu verzichten. Das gilt vor allem für Berufe im Bereich Pflege oder Soziales. In Gesundheitsberufen wie Altenpfleger oder Krankenpfleger herrscht seit Jahren ein eklatanter Mangel. Darüber hinaus erfordert die Arbeit mit alten oder kranken Menschen ein hohes Maß an Empathie. In diesen Bereichen wird Ihre Lebenserfahrung gern gesehen werden. Die Ampel für eine Ü40-Azubi-Offensive steht bereits auf Grün.

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